Befreiungsfeier Mauthausen 2019
Rede von Lisa Infanger, 5.5. 2019 in Mauthausen
1,50 Euro, statt wie bisher 3 bis 5 Euro pro Stunde für gemeinnützige Arbeit. 114 Millionen Euro für 150.000 gerettete Flüchtlinge. 103 Millionen Euro für den 2. EU Sitz in Straßburg. Was sind unserer Gesellschaft ein Mensch, ein Menschenleben und seine Würde wert?
Liebe TeilnehmerInnen des Jugendgedenkmarsches, mein Name ist Lisa Infanger und ich vertrete hier als ehrenamtliche Vorsitzende die Kath. Jugend OÖ
Wir haben uns heute hier versammelt, um der Gräueltaten von 1938 bis 1945 zu erinnern und der Verstorbenen, Überlebenden und Hinterbliebenen zu gedenken. Dieses Erinnern ist in Zeiten wie diesen ganz besonders wichtig. Wir können und müssen aus unserer Geschichte lernen und uns dafür einsetzen, dass Menschen ihre Identität, Würde und Individualität behalten. Die heurige Gedenk- und Befreiungsfeier steht unter dem thematischen Schwerpunkt „Niemals Nummer. Immer Mensch.
Die Häftlinge im Konzentrationslager Mauthausen erhielten nach der namentlichen Erfassung eine Nummer. Der Name existierte somit nicht mehr. Zur Nummer werden bedeutet, nicht mehr als Individuum wahrgenommen zu werden. Laut Duden wird die Nummer als eine Zahl, die etwas kennzeichnet definiert. Zahlen und Nummern umgeben uns Tag für Tag. Viele erleichtern uns den Tagesablauf, manche erschüttern uns, einige sind uns gar nicht bewusst. Zu Beginn habe ich einige Zahlen und Fakten genannt, auf welche ich jetzt noch näher eingehen werde:
1,50 Euro. Eine Zahl, die in den Medien momentan sehr präsent ist. Diesen Betrag von 1,50 Euro pro Stunde schlägt der österreichische Innenminister für die gemeinnützige Arbeit wie z.B. Gartenarbeit oder einfache Hilfstätigkeiten von Flüchtlingen vor. Zurzeit beträgt der Stundenlohn für diese Aufgaben 3 bis 5 Euro, je nach Bundesland und Tätigkeit. Dieser herabgesetzte Lohn bedeutet für jede geflüchtete Person weniger Verdienst und bringt auch noch die Botschaft mit, dass ihre Arbeit nichts wert ist, obwohl sie unseren Gemeinden zugutekommen. Die geleistete Arbeit wird gemindert und der Mensch ein Stück weit entwertet. Zudem können Diskussionen über derartige Gesetze, zu Feindseligkeiten innerhalb der Gesellschaft führen und das friedliche Miteinander nachhaltig stören.
Wir stehen hier an einem Ort, wo Menschen nicht mehr als Menschen galten. Sie erhielten Nummern, wurden kahlgeschoren, mussten ihr Hab und Gut abgeben und arbeiteten zu Menschen unwürdigen Bedingungen. Sie verloren ihre Identität und Würde. Auch heute werden Gruppen aufgrund von Nationalität, Religion, Sexualität oder weil sie einer Minderheit angehören stigmatisiert und ausgeschlossen. Zurzeit erfährt besonders die Gruppe der Asyl- und Zuflucht suchenden große Ablehnung. Wir vergessen dabei oft, dass es sich um Menschen handelt, die unsere Hilfe benötigen. Sie haben aus unterschiedlichen Gründen ihre Heimat, ihre Freunde, Familie verlassen, ihren Beruf aufgegeben und sich auf einen lebensgefährlichen Weg ins Ungewisse gemacht. Besonders Menschen, die von Abschiebung in Kriegsgebiete bedroht sind, leben in großer Angst und Ungewissheit. Wir haben dieses Thema auf unserem Transparent aufgegriffen: „Über 300 Abschiebungen in Kriegsgebiete. Niemals Schweigen. Immer Wehren.“ 300 ist eine weitere Zahl, die zum Nachdenken anregt. 300 Abschiebungen entsprechen 300 Menschen, die in Gebiete abgeschoben werde, in den ihnen Verfolgung bis hin zu Tod drohen. Warum werden Menschen, die offensichtlich unsere Hilfe brauchen an einen Ort zurück geschickt, wo sie um ihr Leben bangen müssen? Fehlt es hier Teilen unserer Gesellschaft an Menschlichkeit?
In der alltäglichen Wahrnehmung wird oft pauschal negativ über DIE ASYLANTEN und DIE Flüchtlinge geredet und abwertend geurteilt. Bei besserem Kennenlernen oder bei positiven persönlichen Begegnungen wird oft erkannt, dass sich hinter dem vorurteilbehafteten Bild des Flüchtlings, tatsächlich ein Mensch steckt – mit Namen und Identität.
114 Millionen. Eine Zahl die man sich kaum vorstellen kann. 114 Millionen Euro zahlte Italien im Jahr 2014 für die Maßnahmen, um 150.000 Flüchtlingen das Leben zu retten. Das entspricht 760 Euro für ein Menschenleben. Als sich Italien finanzielle Hilfe von der EU suchte, um diese Maßnahmen dauerhaft zu gewährleisten, lehnte diese ab. Zur Info: 103 Millionen Euro, also ziemlich dasselbe, kostet es, dass das EU-Parlament einen zweiten Sitz in Straßburg betreibt. Was ist unserer Politik ein Menschenleben also Wert? Sind diese Verstorbenen überhaupt Menschen für uns oder sind es nur viele und geht diese Zahl einfach an uns vorbei?!
Wir stehen hier an einem Ort, wo Menschen als unwert wahrgenommen wurden, versucht wurde ihnen die letzte Würde und die letzte Selbstachtung zu nehmen. Wir werden immer wieder damit konfrontiert, dass die unteilbare Würde des Menschen aus egoistischen Gründen
relativiert wird. Genau da ist es unsere Pflicht aufzustehen für Menschwürde einzustehen. Konkrete Taten der Menschlichkeit und Solidarität müssen wieder in den Vordergrund gerückt werden!
Ich möchte meine Worte mit einem Zitat von Michael Köhlmeier zusätzlich unterstreichen: „Wir sind Teil der Geschichte, ob wir das wollen oder nicht und wenn Unrecht und Grauen in vergangenen Zeiten uns nicht mehr als Schuld angelastet werden können, weil wir damals noch nicht auf der Welt waren, so tragen wir dennoch Verantwortung. Eine Verantwortung die darin besteht aus der Geschichte zu lernen!“ (Siehe: Podcast Falterradio)
Lasst uns aufstehen, aufeinander zugehen, voneinander lernen, miteinander umzugehen. Sehen wir den Menschen hinter einer Zahl, damit Menschen nie wieder zur Nummer werden, sondern Menschen immer Menschen bleiben!