Zivildienst in Shkodra, Albanien
Bis in die frühen 90er Jahre war Albanien ein Land, in dem die Einwohner*innen stark abgeschottet vom Rest der Welt lebten. Es gelangten weder Informationen noch Waren nach oder aus Albanien. Das verhinderte eine wirtschaftliche Entwicklung, wie diese im restlichen Europa nach dem Krieg vorzufinden war.
Bis heute kann man die Nachwirkungen dieser Zeit erkennen. An vielen Stellen fehlt es an öffentlichen Geldern. Viele private NGOs und die Kirche haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, notwendige fehlende Mittel bereit zu stellen. Dies begann im Frühjahr 1991 nach dem Tod Enver Hoxhas, des kommunistischen Diktators Albaniens, als der Papst den Salesianern den Auftrag erteilte, sich um die albanische Jugend zu kümmern. Im Sommer desselben Jahres machte sich die erste Delegation nach Albanien auf. Nach einem Jahr hatten sich zwei Einflusszentren herauskristallisiert: in Shkodra im Norden und in Tirana, der Hauptstadt Albaniens.
Meinen Zivildienst durfte ich im Shkodra absolvieren. Meine zwei Hauptaufgabengebiete lagen darin, den freien Nachmittag der Kinder aus dem Oratorium zu gestalten, und die Aufsicht im ansässigen Internat zu Essens- und Lernzeiten zu übernehmen. Zusätzlich wurden diverse Ausflüge und Aktionen im Namen der Salesianer unternommen, an welchen ich auch teilnehmen durfte.
Das Oratorium, errichtet nach dem Vorbild des Heiligen Don Bosco, ist ein Platz zum Spielen, bietet aber auch die Möglichkeit, für die Schule zu lernen, Freunde zu treffen oder an Tanz-, Fußball-, Basketballtrainings teilzunehmen. Außerdem wird einmal pro Woche Firmvorbereitung und eine Gruppenstunde, ähnlich der österreichischen Jungschar, abgehalten. Am Vormittag, während die Kinder in der Schule waren, musste ich bei diversen Hausarbeiten helfen. Oft konnte ich diese Zeit nutzen, um mir die albanische Sprache besser anzueignen. Recht schnell bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sprache der Schlüssel zu einer Gesellschaft ist. Ohne dieser wäre es mir sehr schwergefallen, mit den Kindern und Menschen vor Ort zu arbeiten. Abhängig von der Jahreszeit kamen die ersten Kinder ab ca. 15 Uhr. Egal welche Ballsportart, wir spielten sie alle. Die Salesianer organisierten sogar einige Male im Jahr ein Kleinfeldtournier, bei dem alle Schulen der Stadt gegeneinander antreten konnten.
Das wirkliche Highlight des Jahres sind jedoch die sogenannten „Loyer Verore“, die Sommerspiele. Über vier Wochen kämpfen in sechs verschiedenen Teams 1000 Kinder um den ersten Platz. Am Ende der Sommerspiele können dann selbst die „coolsten“ Kinder ihre Emotionen nicht ganz im Zaum halten und brechen in Trauer-, oder Freudentränen aus. Als Schiedsrichter lernte ich sehr schnell, dass ein respektvoller Umgang, und die Fähigkeit, sich nicht von ersten Eindrücken leiten zu lassen, dabei essenziell ist.
Moritz Hulan