Morgen- und Abendlob "Zeit"
MORGENLOB
Beginn: Kreuzzeichen
Bibelstelle: Gen 1, 14-19
Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen.
Sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, um über die Erde hin zu leuchten. Und so geschah es.
Gott machte die beiden großen Lichter, das große zur Herrschaft über den Tag, das kleine zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne.
Gott setzte sie an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde leuchten, über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag.
Lied
Impuls:
Zeit begleitet den Menschen schon seit seinem Anbeginn, sie wird aber kulturell und je nachdem in welcher Zeitepoche unterschiedlich interpretiert. Bereits 30 000 Jahre vor Christus wurden die ersten Kalender entwickelt, 2000 Jahre vor Christus hat man in Ägypten begonnen, den Tag in 12 Stunden-Zeiträume einzuteilen. Mechanische Uhren, so wie wir sie heute kennen entstanden erst im 13 Jhdt.
Doch warum hat der Mensch den Drang, sein Leben so auf die Zeit zu fixieren, es einzuteilen?
Es liegt wohl daran, dass der Mensch sich seiner Endlichkeit bewusst ist. Er weiß, dass seine
Zeit hier begrenzt ist. Sein Leben spielt sich ab zwischen einem Anfang und einem Ende und
die Zeit, die dazwischen liegt, ist ihm geschenkt, es ist eine geschenkte Zeit, die einen klaren
Anfang (die Geburt) und ein Klares Ende (den Tod) hat. Dieser Beginn, die Geburt ist für den je
einzelnen Menschen nicht bloß ein historisches Ereignis, sondern ein grundlegendes, es ist der
Beginn einer je individuellen Zeitrechnung. Und wir können entscheiden, was wir mit dieser
geschenkten Zeit machen, wie wir sie füllen.
Michael Ende: Momo, Zeit
„Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Dieses Geheimnis ist die Zeit. Es gibt Kalender und Uhren, um sie zu messen, aber das will wenig besagen, denn jeder weiß, dass einem eine einzige Stunde wie eine Ewigkeit vorkommen kann, mitunter kann sie aber auch wie ein Augenblick vergehen – je nachdem, was man in dieser Stunde erlebt. Denn Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.“
Zeit und Mensch sind also unabdingbar miteinander verbunden. Auch das Menschsein ist uns geschenkt, wir Christen glauben, dass es uns von Gott geschenkt ist, es ist eine Gabe an uns und diese Gabe ist gleichzeitig auch Aufgabe, eine Herausforderung, v.a. dann wenn wir uns bewusst werden, dass unser Zeit eben begrenzt ist.
Wie Menschen mit dieser geschenkten Zeit umgehen, ist kulturell verschieden. Diese Zeitfenster sind für alle Menschen gleich. Dennoch gibt es, mit Ausnahme der Sprache, nichts, was verschiedene Kulturen so unterscheidet wie ihr Zeitempfinden. Die Hopi-Indianer leben im nordöstlichen Arizona, in den USA und kennen kein Wort für Zukunft und Vergangenheit. Für sie ist alles Gegenwart, in ihren Zeitrhythmen orientieren sie sich an den Vorgaben der Natur. In der westlichen Welt erleben wir Zeit als messbar und als linear. Wir versuchen sie möglichst effizient zu nutzen, um zukunftsorientierte Ziele zu erreichen. In unserer ökonomisierten Gesellschaft stehen die Sätze „Zeit ist Geld“ oder „du musst das Beste aus deiner Zeit herausholen“ an oberster Stelle. Das stresst viele Menschen und viele fühlen sich völlig fremdbestimmt und haben das Gefühl, dass andere über ihre geschenkte Zeit verfügen. Wann hast du das letzte Mal bewusst Zeit geschenkt bekommen? Wie hast du sie ausgefüllt?
Stille
Lied: „In manus tuas pater“ oder „Meine Zeit“ (LQ 224)
Segen:
Möge Gott uns segnen, uns und unsere geschenkte Zeit hier bei den Tagen der Stille. Möge diese geschenkte Zeit eine erfüllte Zeit sein, in der wir achtsam mit uns selbst, mit unseren Mitmenschen und der Umwelt sind.
Eine Zeit in der nette Blicke und kleine Gesten mehr aussagen als so manches Wort.
So segne und begleite uns der Vater, der Sohn und die Geistkraft Gottes. Amen.
ABENLOB
(Michael Münzner)
„Vom Kairos im Chronos“
vorzubereiten: Lautsprecher, Handy; Bilder von Chronos und Kairos;
Beim Eintreten in den Meditationsraum: Geräusch einer tickenden Uhr
Kreuzzeichen
Text: BGM 67
Wieder ist ein Tag vorbei!
Wie Sand zwischen den Fingern hindurch rieselt, so verrinnt Tag um Tag. War er sinnlos dieser Tag?
Es ist doch unwesentlich, welche Aktivitäten ich setzte, es bleibt doch nur die einzige wichtige Frage: Brachte ich durch mein Leben ein Mehr an Liebe in diese Welt?
(tickende Uhr endet!)
Es ist nichts Besonderes geschehen heute. Ein Tag wie jeder andere.
Trotzdem war es nicht sinnlos: ein Sonnenstrahl, der durch die grauen Wolken blinzelt, die Knospen der Bäume, die jetzt zu neuem Leben erwachen, eine Melodie, die mich für einige Minuten träumen lässt, ein Lächeln, das mir gilt, eine freundlichen Hand, die sich mir entgegengestreckt, Menschen, die mich gern haben.
Sie geschehen jeden Tag, die kleinen Wunder des Lebens. Ich übersehe sie so leicht.
nach Peter Paul Kaspar
Lied: „Diesen Tag, Herr“ (LQ 35/ 1.+4. Str.)
Impuls
Was ist Zeit?
Wenn mich jemand fragt,
weiß ich es.
Will ich es einem Fragenden erklären, so weiß ich es nicht.
Augustinus
Auch wenn sich die verschiedenen Wissenschaften dem Phänomen der Zeit auf verschiedene Weise zu nähern versuchen, so bleibt die Zeit für uns dennoch schwer zu verstehen. Während wir im Deutschen nur einen Begriff für Zeit haben, kennt z.B. das Griechische zwei Begriffe für Zeit: den Chronos und den Kairos.
In der griechischen Mythologie ist Chronos der Gott der Zeit. Er versinnbildlicht den Ablauf der Zeit. Deshalb wurde der Chronos auch ab dem 14. Jhdt. in der darstellenden Kunst als bärtiger Greis mit Sichel und Stundenglas dargestellt. Alles verliert sich im Dunkel der Zeit, wenn es nicht dem beständigen Vergehen in Form von Erfahrungen entrissen wird. Wer die Zeit nicht nützt, wer passiv bleibt, wer nicht mit der Zeit lernt und reift, den beginnt Chronos zu verschlingen. So die Botschaft der griechischen Mythologie.
Dem aktiven, bewussten Menschen dagegen begegnet in der griechischen Mythologie Kairos, der Gott des rechten Augenblicks und der günstigen Gelegenheit. Dargestellt wird er als junger Mann mit Flügeln an den Füßen, denn die Gelegenheit ist schnell verpasst. Er hat auch einen kahlen Kopf jedoch an der Stirn einen Haarschopf, denn die Gelegenheit will beim Schopf gepackt werden. In den Händen hat er eine Waage, um die Zeit zu wägen und ein scharfes Messer, um die unnützen Bindungen zu zerschneiden, die uns in der Vergangenheit gefangen halten.
Während Chronos die Quantität der Zeit und die Erfahrungen der Vergangenheit repräsentiert, ist Kairos das Jetzt, der dimensionslose Punkt der Gegenwart. Kairos enthüllt eine neue Dimension der Zeit, die wir weitgehend außer Acht lassen, die Qualität der Zeit, den richtigen Zeitpunkt.
Chronos und Kairos enthüllen uns die zwei Gesichter der Zeit, die Quantität und die Qualität, die machtvolle Vergangenheit mit ihren Erfahrungen und die flüchtige Gegenwart mit ihren Gelegenheiten.
In den Evangelien begegnet uns die Zeit in Form des Kairos recht häufig. Immer wieder wird betont, dass sich für Menschen in der Begegnung mit Jesus eine Gelegenheit bietet, sich für Gott zu öffnen, das Leben zu überdenken, umzukehren, neu zu beginnen. Eine Stelle dazu ist die Erzählung vom Zöllner Zachäus.
Schriftstelle: Lk 19,1-10
Lesung aus dem Lukasevangelium.
Dann kam er nach Jericho und ging durch die Stadt.
Und siehe, da war ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war reich.
Er suchte Jesus, um zu sehen, wer er sei, doch er konnte es nicht wegen der Menschenmenge; denn er war klein von Gestalt.
Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste.
Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben.
Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf.
Und alle, die das sahen, empörten sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt. Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, und wenn ich von jemandem zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.
Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist.
Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.
Stille: Was hat meinen heutigen Tag mit Sinn gefüllt? Was hat diesen Tag sinnvoll gemacht?
Wodurch habe ich diesen Tag sinnvoll gemacht?
Lied: „Jetzt ist die Zeit“
Segen
Gott, segne diese Zeit, in die du uns hineingestellt hast, damit wir hier unseren Platz finden.
Gott, segne diese Zeit, die du uns gegeben hast, damit wir erkennen, was jetzt für uns dran ist.
Gott, segne diese Zeit, damit wir bereit sind, wenn du uns begegnest.
Gott, segne uns, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
MORGENLOB
(Thomas Obermeir)
„Verschiedene Menschen – verschiedene Rhythmen“
Kreuzzeichen
Einstiegsimpuls:
„Wir warten, bis alle da sind!“ – Wann hast du zum letzten Mal diese Aussage gehört, was löst das bei dir aus? Warten wie lange, auf wen? Wann sind alle da, wer wartet auf wen? Wo Menschen zusammen Leben, treffen verschiedene Lebensrhythmen zusammen, verschiedene Zeitpunkte und Zeitgefühle.
Hinführung: Lied „Different Rhythmus, Different People“ (Band Us3)
Gebet:
Guter Gott,
als unterschiedliche Menschen sind wir vor dir, mit unterschiedliche Zeitrhythmen und Zeitbedürfnisse. Manchmal leben wir „am Puls der Zeit“ oder aber fühlen uns in der „falschen Zeit geboren“ und „ticken“ unterschiedlich.
Gott du kennst uns und weißt um unsere Sorgen, Ängste und Gedrängtheiten. Sei mit uns an diesem letzten Tag im Jahr und schenke uns die Kraft der Aufmerksamkeit für einen guten Jahresrückblick.
Du bist mit uns heute an diesem Tag und im kommenden Jahr.
AMEN
Vertiefung: Einladung an alle einmal (wieder) den eigenen Puls am Handgelenk fühlen. Zwei Minuten lang, in Stille.
Lied: „Wenn du noch staunen kannst“ (LQ 302)
Impuls:
Unterschiedliche Rhythmen, Zeiteindrücke und Zeitbedürfnisse prägen unser Leben. Zwei Beispiele: Bei der Geburt eines Kindes gibt es den errechneten Geburtstermin, die Hochschwangere Mutter kann jedoch „über der Zeit sein“. Es gibt den Zeitpunkt des Kindes, wo das Baby im Bauch so weit ist. Die Zeit der Mutter, wo sie genug Kraft hat, um das Kind auf die Welt zu bringen.
Bei einem/r MarathonläuferIn. Beim Training findet man gut sein eigenes Tempo, man weiß wo gut die eigene Pulsfrequenz liegt, damit die Strecke gut gelaufen werden kann. Jedoch dann beim Marathon selbst, im Sog der Gruppe läuft man unweigerlich ein wenig schneller, oft sogar zu schnell, es ist schwierig das eigene Tempo zu finden.
Es gilt zu bedenken, dass die Zeit und damit auch der Kalender konstruierte, erfundene und von Menschen eingeführte Ordnungssysteme sind.
Biografisch – individuell: Mit Hilfe des Kalenders können wir sagen, wie alt wir sind. Wieviel „Zeitvorrat“ wir noch haben. Bei jungen Menschen ist die Vergangenheit eine kaum gefüllte Dimension. Bei alten Menschen ist es genau umgekehrt. Je älter wir werden, desto subjektiv schneller vergeht ein Jahr; wir erfahren ein Jahr es als immer „weniger Zeit“ im Verhältnis zur gelebten Lebenszeit.
Erst die Verstädterung und die Industrialisierung machten es erforderlich, dass Menschen „gleichzeitig“ und zum selben Zeitpunkt etwas beginnen (Arbeit, Klöster, Schulen,…).
Gott lädt uns ein, sich der Zeit als Ordnungssystem sich nicht einfach zu überlassen, sondern diese aktiv zu gestalten und auch auf den Klang des eigenen Leibes, als „Taktgeber“ zu horchen.
Bibelstelle: Röm 12,2
„Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!“
Lied: „Meine Zeit“ (LQ 224)
Segenstext + Kreuzzeichen