Methode ''Die Blinden und die Gefesselten''
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Intention des Spieles: Das Spiel kommt aus Brasilien und wurde konzipiert, um die politisch-sozialen Verhältnisse in vereinfachter Weise darzustellen.
Spielregeln: Der/Die LeiterIn des Spiels fordert die Gruppe auf, sich aufzuteilen, Blinde zu spielen oder sich fesseln zu lassen. Die Gefesselten sollten 1/4 bis 1/3 der MitspielerInnen ausmachen. Der Rest ist blind.
Anschließend werden die Regeln des Spiels bekanntgegeben (Mit Autorität gesprochen). Regel Nr. 1: Ab jetzt wird kein Wort mehr gesagt! Regel Nr. 2: Die Blinden sollen die Blinden finden.
Nach der Verkündigung der Regeln ist meist großes Erstaunen und Unsicherheit festzustellen. Der/Die SpielleiterIn sagt nichts weiter dazu.
Spielverlauf: Die Blinden werden nun beginnen, sich im Raum zu bewegen, um einander zu finden. Dabei darf, wie in Regel 1 festgelegt, nicht gesprochen werden. Der/die SpielleiterIn beginnt nun, dabei zu stören. Er/sie bindet sich ein Tuch, um die Stirn, um zu simulieren, auch eineR von den Blinden zu sein. So kann er/sie auf die Blinden zugehen und sie in die Irre führen. Also voneinander wegführen, in die Ecke des Raumes bringen und dort stehen lassen, aus dem Raum hinaus führen und alles weitere, was das Zueinanderfinden der Blinden stört. Die Blinden werden sich gerne von ihm/ihr führen lassen, da sie selbst unsicher sind. Um das ganze spannender zu machen, kann sich der/die SpielleiterIn vor dem Spiel geheim HelferInnen suchen. Der/die SpielleiterIn und seine/ihre HelferInnen können auch versuchen, Gruppen von Blinden, die sich schon gefunden haben, wieder zu trennen. Die Gefesselten stehen normalerweise neugierig auf der Seite und schauen, vor allem zu Beginn, dem unfairen Spiel, das der/die LeiterIn mit den Blinden treibt, gelassen, teilnahmslos oder belustigt zu. Oft reagieren die Gefesselten dann je nach Alter sehr verschieden. Jugendliche schlagen sich oft auf die Seite des Spielleiters/der Spielleiterin und bestärken ihn/sie in seiner/ihrer Verwirrarbeit. Andre, meist ältere Personen, stehen unbeteiligt abseits und selten kommt es vor, dass sich die Gefesselten für die Blinden einsetzen. Schließlich ziehen sich der/die SpielleiterIn und seine/ihre HelferInnen aus dem Durcheinander zurück, bis sich die Blinden endlich finden.
Auswertung des Spiels: Die erste Gruppe, die Blinden, repräsentieren die Masse des Volkes. Die zweite kleinere Gruppe, die Gefesselten entsprechen dem gehobenen Mittelstand und anderen Leute, die vom System dadurch profitieren, dass sie sich nicht einmischen, sondern dass sie zuschauen und dass sie in sich das Gefühl nähren, dass man sowieso nichts tun könne (z.B. soziale Gruppen wie Kolonialkirche, höhere Beamte und Angestellte). Die dritte Gruppe mit dem/der SpielleiterIn und evtl. ein bis zwei HelferInnen ist die Geheimregierung oder die Marktwirtschaft.
Zunächst die Frage an die Blinden: „Was ist in euch vorgegangen?“ Da kommen zuerst die offensichtlichen Antworten zum Blind-Sein selbst. Man kann sie dann auf eine tiefere Ebene führen. Sie sind die Blindgemachten, die es gerne ertragen, dass andere ihnen den Blick in die Realität versperren, die sich gerne führen lassen. Die Blinden erinnern sich nach längerem Fragen und Berichten, dass ein Störenfried ihnen die Aufgabe erschwerte, dass es Regeln und Geschehnisse gab, die vorher nicht besprochen wurden, die also unbekannt waren.
Die Frage an die Gefesselten, wie ihnen das Spiel gefiel, wird meist positiv beantwortet. „Das war lustig.“ Aber auf die Frage, warum sie nicht eingegriffen und geholfen haben, kommt oft die Antwort, man könne ja nichts tun. Oder sie antworten: „Wir hatten ja keinen Auftrag.“
Die HelferInnen haben eine unangenehme Rolle: Sie haben sich kaufen lassen und werden als Verräter gesehen.
In dem Spiel kommt auch zum Ausdruck, wie autoritätsgläubig man ist und auf Befehle von oben wartet in einer Situation, in der man selber keine Orientierung hat. Wer keine Wertkategorien entwickelt hat, etwa „wenn mir etwas zu blöd ist, mache ich nicht mit“ oder „wenn andere an der Nase herumgeführt werden greife ich ein“, bleibt in diesem Spiel passiv. Besonders auf die Frage, warum die Blinden die Binde nicht von den Augen genommen und sich gegenseitig gesucht haben, wird immer geantwortet: „Das durften wir ja nicht.“ Dabei gab es keine Regel, die es verboten hätte. „Wir sind ja keine Spielverderber!“
So kann man in diesem Spiel deutlich zeigen, dass es neben den sichtbaren Regeln, auch andere gibt, die das Geschehen bestimmen. Die geheimen Regierungen und Machenschaften bleiben oft unbekannt. Dies gilt besonders in den politischen Strukturen der Entwicklungsländer, aber auch auf dem Weltmarktgeschehen und bei verschiedensten Organisationen, denen daran liegt, die Massen oder ihre Gruppenmitglieder zu führen, ohne ihnen Mitbestimmung zu ermöglichen. Die Augen zu öffnen bedeutet, demokratische Mitentscheidung zu ermöglichen. |