Methode ''Die belagerte Stadt'' Planspiel
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Planspiel |
Experiment zur Sündenbock-Problematik Ziel des Spiels ist es, Verhaltensweisen bewusst zu machen, die in jeder Gruppe oder Gesellschaft ablaufen können (aber nicht müssen), wenn die Situation ausweglos ist. Voraussetzungen: Dieses "Spiel" verlangt eine etwas reifere Gruppe, weil mit diesem Experiment einiges Persönliches aufgerissen werden kann. Aufgabe: Es muss eine Lösung für das Problem der Stadt Trotzburg gefunden werden.
Zur Spielvorbereitung: 5 Gruppenmitglieder spielen 5 BürgerInnen einer mittelalterlichen Stadt, die restlichen Gruppenmitglieder beobachten den Spielverlauf und - aufgeteilt - das Verhalten der einzelnen SpielerInnen. Für die BeobachterInnen kann es hilfreich sein, konkrete Impulsfragen zu stellen, die die Beobachtung erleichtern bzw. konkretisieren. Diese Fragen könnten sich zum Beispiel auf Argumentation, Nervosität, Mimik, Schuldzuweisungen etc. beziehen. Während sich die "BürgerInnen" ihre Rolleninformation lesen und sich Argumente überlegen (sie dürfen dabei auf gar keinen Fall miteinander reden!), werden die BeobachterInnen über ihre Aufgaben und die Situation informiert: "Die kleine mittelalterliche Stadt Trotzburg ist zerstritten mit der großen, reichen Nachbarstadt Hochberg. Eine Hochberger Händlerin wurde ermordet. Kurze Zeit darauf kommen die HochbergerInnen und belagern die Stadt. Sie sind in der Überzahl und lassen den TrotzburgerInnen folgende Botschaft überbringen: 'Liefert uns binnen einer Stunde die schuldige Person aus, sonst brennen wir die ganz Stadt nieder.' Nun findet eine Beratung zwischen allen Beteiligten statt. Sie müssen entscheiden, wer von ihnen ausgeliefert wird. Nach längstens 30 Minuten muss eine Entscheidung gefallen sein!"
Zum Spielverlauf: Schließlich kann die Diskussion in der Gruppe der BürgerInnen eröffnet werden. Die Spielleitung achtet darauf, dass die Zeitvorgabe von einer halben Stunde eingehalten wird. Wenn sich die Zeit dem Ende zuneigt und sich keine Lösung abzeichnet, kann die Spielleitung auch ein wenig Druck ausüben, dass eine Lösung gefunden werden muss. Die BürgerInnen der Stadt Trotzburg sollen nun versuchen,die eigene Unschuld zu beteuern, gute Argumente zu bringen und eineN SchuldigeN ausliefern. (Vielleicht finden sie aber auch eine ganz andere Lösung?) Als Abschluss des Experiments muss den "BürgerInnen" die Möglichkeit gegeben werden, aus ihren Rollen auszusteigen, z.B. durch Raumwechsel der ganzen Gruppe oder zumindest durch Platzwechsel, sowie bewusst die Rolle abstreifen etc.
Reflexion Eine Reflexion ist bei diesem Spiel ganz besonders wichtig. Nimm dir dazu genügend Zeit. Am Anfang ist es sinnvoll, wenn die einzelnen Gruppenmitglieder ihre Rollenkärtchen vorlesen, damit alle auf dem gleichen Informationsstand sind. Nun könnte die Spielleitung mitteilen, dass das Experiment so konstruiert ist, dass alle MitspielerInnen gleichermaßen mitschuldig sind und sich in einer ausweglosen Situation befinden. Es sind eigentlich nur vier Lösungen möglich:
mögliche Impulse fürs Weiterarbeiten:
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Kleingruppen |
Arzt/Ärztin Die kleine arme mittelalterliche Stadt Trotzburg ist zerstritten mit der großen reichen Nachbarstadt Hochberg. Eines Tages kommt der/die HandwerkerIn zu dir und sagt: „Draußen vor der Stadt liegt eine Händlerin von Hochberg verwundet im Schnee. Komm doch raus und hilf ihr! Sie hat mich überfallen wollen und ich habe mich gewehrt und sie verwundet. Eben war ich schon beim/bei der BürgermeisterIn, aber der/die will nichts unternehmen.“ Du denkst dir: „Geschieht ihr recht, der Hochbergerin!“ – und sagst: „Was, ich soll zu einer Hochbergerin hinausgehen bei dieser Kälte? Fällt mir gar nicht ein. Bringt sie rein, dann kann ich sie vielleicht behandeln.“ Der/die HandwerkerIn läuft zum/zur KrankenpflegerIn und bittet ihn/sie, die Händlerin mit reinzutragen. Aber der/die sagt: „Nur wenn es der/die BürgermeisterIn befiehlt.“ Der/die HandwerkerIn rennt zum/zur BürgermeisterIn, der/die befiehlt es endlich, und so schaffen der/die HandwerkerIn und der/die KrankenpflegerIn, die Händlerin zu dir. Du siehst, dass die Händlerin todkrank ist, weil sie so lange im Schnee gelegen hat. Du verbindest ihre Wunden, aber Arznei gibst du ihr nicht, weil du dir denkst: „Wozu soll ich dieser Hochbergerin auch noch kostenlos meine teure Arznei geben?“ – In der Nacht stirbt die Händlerin. Du sagst zu den anderen: „Die war nicht mehr zu retten. Die Kälte hat sie fertiggemacht. Wenn der/die WächterIn gleich gesehen hätte, was los ist und uns gleich Bescheid gegeben hätte, hätte ich sie vielleicht durchgebracht.“ Kurze Zeit darauf kommen die SoldatInnen von Hochberg vor die Stadt. Sie sind in der Übermacht. Sie lassen den TrotzburgerInnen eine Botschaft überbringen: „Liefert uns bis in einer Stunde den/die SchuldigeN aus, der/die die Händlerin getötet hat, sonst brennen wir die ganze Stadt nieder.“ – Kurz vor der Beratung kommt der/die WächterIn zu dir und bezahlt dir eine längst fällige hohe Rechnung. |
Krankenpfleger/Krankenschwester Die kleine arme mittelalterliche Stadt Trotzburg ist zerstritten mit der großen reichen Nachbarstadt Hochberg. Eines Tages kommt der/die HandwerkerIn zu dir und sagt: „ Draußen vor der Stadt liegt eine Händlerin aus Hochberg. Sie ist verwundet. Sie hat mich angefallen und ich habe mich gewehrt und sie zusammengeschlagen. Wir können sie nicht im Schnee liegenlassen. Komm und hilf mir, sie reinzutragen!“ Du hast wenig Lust einer Hochbergerin zu helfen. Deswegen sagst du: „Du hast mir nichts anzuschaffen. Wenn es der/die BürgermeisterIn sagt, gehe ich hinaus, sonst nicht.“ Eigentlich ärgerst du dich ja oft über den/die BürgermeisterIn, dass er/sie so viel anschafft. Aber jetzt ist es dir ganz recht. Der/die HandwerkerIn sagt, er/sie wäre schon beim/bei der BürgermeisterIn und beim/bei der ÄrztIn gewesen und beide wollten nichts tun. Aber du bleibst dabei. Der/die HandwerkerIn läuft weg, nach einer Weile kommt er/sie wieder und berichtet, der/die BürgermeisterIn hätte es jetzt befohlen. Da gehst du mit ihm/ihr hinaus und ihr holt die Verwundete rein. Der/die ÄrztIn verbindet die Wunden. Aber in der Nacht stirbt die Händlerin. Der/die ÄrztIn sagt: „Die war nicht mehr zu retten. Die Kälte hat sie fertiggemacht. Wenn der/die WächterIn gleich gesehen hätte, was los ist, und uns gleich Bescheid gegeben hätte, hätte ich sie vielleicht durchgebracht.“ Kurze Zeit darauf kommen die SoldatInnen von Hochberg vor die Stadt. Sie sind in der Übermacht. Sie lassen den TrotzburgerInnen eine Botschaft bringen: „Liefert uns bis in 1 Stunde den/die SchuldigeN aus, der/die die Händlerin getötet hat, sonst brennen wir die ganze Stadt nieder.“ Du brichst von Zeit zu Zeit in den Medikamentenschrank des Arztes/der Ärztin ein, um damit zu dealen. Du weißt daher, dass der/die ÄrztIn in der letzten Nacht sicher keine Arznei für die Hochbergerin verwendet hat. |
BürgermeisterIn Die kleine arme mittelalterliche Stadt Trotzburg ist zerstritten mit der großen reichen Nachbarstadt Hochberg. Du magst die HochbergerInnen gar nicht. Eines Tages, als du gerade die Stadtkasse nachzählst, kommt der/die HandwerkerIn angerannt und erzählt: „Eben hat mich eine Händlerin aus Hochberg überfallen wollen. Ich habe mich gewehrt und sie verwundet. Jetzt liegt sie draußen im Schnee.“ Du denkst dir: „Das geschieht der Hochbergerin recht!“ Und weil du die HochbergerInnen nicht magst, bleibst du hinter deinem Geld sitzen und sagst nur: „Das werden wir schon kriegen!“ Der/die HandwerkerIn bittet den/die KrankenpflegerIn, beim Hereintragen der Händlerin zu helfen. Aber der/die sagt: „Nur wenn es der/die BürgermeisterIn mir befiehlt.“ Da kommt der/die HandwerkerIn zu dir zurück und erzählt dir alles. Du sagst: „Na, meinetwegen soll er/sie sie reinschaffen.“ Sie schaffen die Händlerin herein, der/die ÄrztIn verbindet ihre Wunden, aber in der Nacht stirbt der Händlerin. Der/die ÄrztIn sagt: „Die war nicht mehr zu retten. Die Kälte hat sie fertiggemacht. Wenn der/die WächterIn gleich gesehen hätte, was los ist und uns Bescheid gegeben hätte, hätte ich sie vielleicht durchgebracht.“ Der/die WächterIn sagt: „Ich habe von dem ganzen Vorfall nichts gesehen.“ Kurze Zeit darauf kommen die SoldatInnen von Hochberg vor die Stadt. Sie sind in der Übermacht. Sie lassen den TrotzburgerInnen eine Botschaft überbringen: „Liefert uns bis in einer Stunde den/die SchuldigeN aus, der/die die Händlerin getötet hat, sonst brennen wir die ganze Stadt nieder.“ |
WächterIn Die kleine arme mittelalterliche Stadt Trotzburg ist zerstritten mit der großen reichen Nachbarstadt Hochberg. Du stehst auf dem Turm und beobachtest die Straße, die an der Stadt vorbeiführt. Eines Tages siehst du, wie der/die HandwerkerIn von Trotzburg eine Händlerin, die aus Hochberg die Straße entlang kommt, überfällt und niederschlägt. Du meldest es aber nicht in der Stadt, weil du denkst: „Was geht mich die Hochbergerin an?“ Kurz darauf kommt der/die HandwerkerIn zu dir auf den Turm gestiegen und gibt dir Geld, damit du den anderen sagst, du hättest nichts gesehen. Dir ist es recht. Du versprichst, nichts zu sagen. Der/die HandwerkerIn läuft weiter zum/zur BürgermeisterIn und bittet, der Verwundeten draußen im Schnee zu helfen. Er/sie stellt die Sache so hin, als ob der Händlerin ihn/sie überfallen hätte und im Kampf verwundet worden wäre. Der/die BürgermeisterIn tut nichts. Da läuft der/die HandwerkerIn zum/zur ÄrztIn. Der/die will nicht hinausgehen. Höchstens wenn jemand die Verwundeten hereinholt, würde er/sie sie behandeln. Der/die HandwerkerIn bittet nun den/die KrankenpflegerIn, beim hereintragen der Verwundete zu helfen. Der/die KrankenpflegerIn lässt sich aber nur vom/von der BürgermeisterIn was anschaffen. Endlich gibt der/die BürgermeisterIn den Befehl, die Händlerin reinzuschaffen. Aber es ist schon zu spät. In der Nacht stirbt die Händlerin. Der/die ÄrztIn sagt: „Wenn der/die WächterIn gleich gesehen hätte, dass da eine verwundet im Schnee liegt, und uns gleich Bescheid gesagt hätte, hätte ich sie retten können.“ Kurze Zeit darauf kommen die SoldatInnen von Hochberg vor die Stadt. Sie sind in der Übermacht. Sie lassen den TrotzburgerInnen eine Botschaft überbringen: „Liefert uns bis in 1 Stunde den/die SchuldigeN aus, sonst brennen wir die ganze Stadt nieder." Kurz vor der Beratung kommst du zum/zur ÄrztIn und bezahlst eine längst fällige hohe Rechnung mit dem Geld, das dir der/die HandwerkerIn gegeben hat. |
HandwerkerIn Die kleine mittelalterliche Stadt Trotzburg ist zerstritten mit der großen reichen Nachbarstadt Hochberg. Du siehst eines Tages vor der Stadt eine Händlerin aus Hochberg vorbeikommen. Du denkst dir: „Der nehme ich ihr Geld ab!“ Du überfällst sie, schlägst sie zusammen und nimmst das Geld. Als du aber die Händlerin verwundet im Schnee liegen siehst, bekommst du Angst und rennst in die Stadt, um Hilfe zu holen. Zuerst gehst du allerdings zum/zur WächterIn auf den Turm. Der/die hat alles mit angesehen. Du gibst ihm/ihr die Hälfte des geraubten Geldes, damit er/sie nichts verrät. Der/die WächterIn verspricht, nichts zu sagen. Du läufst zum/zur BürgermeisterIn und sagst zu ihr: „Eben hat mich eine Händlerin aus Hochberg überfallen wollen. Ich habe mich gewehrt und sie verwundet. Jetzt liegt sie draußen im Schnee.“ Der/die BürgermeisterIn zählt gerade die Stadtkasse nach und sagt nur: „Das werden wir schon kriegen!“ Er/sie tut aber nichts. Da läufst du zum/zur ÄrztIn und sagst: „Komm mit vor die Stadt hinaus und hilf der verwundeten Händlerin! “ Der/die ÄrztIn sagt: „Was? Zu einer Hochbergerin soll ich hinausgehen? Fällt mir gar nicht ein. Wenn ihr sie hereinschafft, werde ich sie vielleicht behandeln. Sonst nicht.“ Da rennst du zum/zur KrankenpflegerIn und bittest: „Trag doch mit mir die Händlerin herein! Allein schaffe ich es nicht.“ Der/die KrankenpflegerIn sagt: „Du hast mir gar nichts anzuschaffen. Wenn es der/die BürgermeisterIn sagt, komme ich mit. Sonst nicht.“ Du läufst wieder zum/zur BürgermeisterIn. Der/die ist immer noch beim Geldzählen und sagt: „Meinetwegen soll er/sie sie hereinschaffen.“ Du läufst zum/zur KrankenpflergerIn und ihr tragt die Händlerin in die Stadt. Der/die ÄrztIn verbindet ihre Wunden, aber in derselben Nacht stirbt die Händlerin. Der/die ÄrztIn sagt: „Die war nicht mehr zu retten. Die Kälte hat sie fertiggemacht. Wenn der/die WächterIn gleich gesehen hätte, was los ist, und uns gleich Bescheid gesagt hätte, hätte ich sie vielleicht durchgebracht.“ Kurze Zeit darauf kommen die SoldatInnen von Hochberg vor die Stadt. Sie sind in der Übermacht. Sie lassen den TrotzburgerInnen eine Botschaft überbringen: „Liefert uns bis in einer Stunde den/die SchuldigeN aus, der/die die Händlerin getötet hat, sonst brennen wir die ganze Stadt nieder.“ |