Verzahnt – Verharkt – Verspießt
Jede Mama und jeder Papa kann bestätigen, dass sie nicht unbedingt ein Vergnügen ist – die Zeit, in der Kinder zahnen! Das Leiberl ist binnen Minuten nassgespeichelt, die Backe rot, die Nächte kurz und die Tage nervenaufreibend!
Als ich gebeten wurde, zum Thema „Verzahnt – PGR Kinder und Jugendarbeit“ einen Artikel zu schreiben, da hat sich wahrlich in mir etwas gespießt und verzahnt! Die Erinnerung an das Zahnen meiner Kinder wurde wach – herrjemine! Wieviel Mühe, Geduld und Schlaflosigkeit, welche Wäscheberge und Ohnmachtsgefühle hat es bedeutet, meine Kinder durch diese Zeit zu begleiten?
Meine Kinder sind inzwischen junge Erwachsene. Nun, es hat sich im Laufe der Jahre noch öfter was verzahnt und verspießt. Jedes Mal war die Zuneigung die Siegerin – Gott sei Dank – auf beiden Seiten!
Während ich so nachdenke, wird mir klar, dass das doch ganz wesentlich etwas mit der Arbeit im Bereich Kinder und Jugend im Pfarrgemeinderat zu tun hat: Das Ziel ist dasselbe! Wir wollen eines Tages Menschen in die Welt hinausschicken, denen es nicht an Biss fehlt!
Junge Menschen, die für ihren Glauben ihrer Zeit entsprechend Ausdruck suchen und finden, die die Botschaft Jesu von „schon jetzt angebrochener Fülle“ zu leben wagen! Wenn ich mich zurückerinnere an meine ersten „Pfarrerfahrungen“ als Jungscharbegleiter – was habe ich rebelliert in dieser Zeit!
- Gegen kirchliche Strukturen
- Gegen gesellschaftliche Missstände
- Gegen ein eingefahrenes Gottesbild, das ich nicht annehmen mochte
- Gegen Gott selbst!
Kennen Sie das? Und zwischendurch ein wertschätzendes Wort oder eine geschenkte Erfahrung, die mich neugierig machte und wachsen ließ – zu einem Menschen, der ich noch nicht war.
Wenn wir „Alten“ aus unserer Perspektive für die „Jungen“ unsere Stimme in der Pfarre erheben, vergessen wir diese Erfahrung leider sehr oft. Wir sagen kaum: „Danke, dass du das machst!“ Wir fragen nur selten: „Wie siehst du das?“ Dabei könnten wir uns durch die Antwort erstaunt zurückversetzt wiederfinden: In eine Zeit, in der wir unseren Glauben ehrlich hinterfragten und kein Gottesbild gelten lassen wollten. In einen Mut, der nicht zulässt, nur Zuschauer*in zu sein, wo es um gesellschaftliche Ungerechtigkeiten geht, und zum Tun zwingt. In eine Liebe, die gerade erst anbricht und die ganze Welt auf den Kopf stellt.
Das ist Christ*in-Sein, denke ich!
Unseren „Jungen“ beim Zahnen zur Seite zu stehen, die ehrliche Frage „Wie siehst, denkst, fühlst du das?“, und die Antwort nicht als kindisch oder pubertär abzutun, sondern genau hinzuhören, dass ist es, was wir als großes Geschenk wahrnehmen dürfen! Trotz aller Geduld, die dafür nötig ist!
Warum ich den „Jungen“, ihren Ideen, ihrer Sicht gerne mein Ohr leihe?
Weil sie es sind, die mich davor bewahren, in meinem Christ*in-Sein zahnlos zu werden. Dieser Artikel hätte eigentlich eine Verbindung aus Vernetzt und verzahnt, also das Ineinandergreifen von Jung und Alt beinhalten sollen.
Aber „Jung“ und „Alt“ sind Gegensätze. Das verträgt sich nicht in gerader Linie! Nichts will ich aufheben von dieser Gegensätzlichkeit, vom Verspießen, Verhaken, Verzahnen! Es ist eine Lebenswirklichkeit!
Sie werden Gott neu denken, neu fühlen, neu zum Ausdruck bringen!
Sie werden andere Antworten auf die Fragen finden, die wir uns schon gestellt haben! Sie werden, wenn wir sie lassen, ihre eigenen Wege auf Gott zugehen!
Was das mit mir macht? Ich muss den sicheren Hafen meines schon festgewordenen Gotteszugangs verlassen und wieder hinaus auf den stürmischen See Genezareth. Ich muss wieder von Neuem das Vertrauen lernen, dass GOTT mit an Bord ist. Ich muss mich von Neuem seiner Unbegreiflichkeit, seiner Unfassbarkeit aussetzen und weiterwachsen – auf ihn hin! Erschreckend, ja, schrecklich sind unsere „Jungen“!
Sie zwingen uns, ausgetretene Pfade der Gottesgewissheit zu verlassen und schwankende Planken der unmittelbaren Gotteserfahrung zu betreten!
Nichts sonst hätte mich dazu bringen können! Dafür muss ich ihnen unendlich dankbar sein, und deshalb ist es mir wirklich eine Ehre, für sie im Pfarrgemeinderat meine Stimme zu erheben!
Verdammt, „Zahnen“ ist keine Zeit zum Rasten! „Zahnen“ ist aneinander und miteinander Wachsen – der Liebe entgegen! In diesem Sinn wünsch ich euch „gute Verzahnung“!
Text von
Maria Pesendorfer
Beauftragte für Jugendpastoral im Dekanat Pettenbach
Februar 2022