Beteiligung ist nicht das Ziel, sondern der Stil
Sich-Beteiligen und Beteiligt-Werden
Beteiligung (= Partizipation) meint, dass Menschen an Entscheidungen und ihrer Umsetzung mitwirken, die sie alltäglich im eigenen Lebensumfeld betreffen. Das kann z.B.: in der Wohnumgebung, in der Gemeinde, am Arbeitsplatz, in Vereinen, in der Schule sein. Oder eben in der Pfarre. Beteiligung ist damit mehr als nur „Mitmachen“ oder „sich engagieren“, sondern schließt auch die echte und ehrliche Einbindung in Kommunikations- und Entscheidungsprozesse mit ein.
Gemeinsam-Kirche-Sein lebt aus den beiden Handlungsfeldern Sich-Beteiligen und Beteiligt-Werden. Wer Beteiligung fördert, will, dass möglichst viele Menschen mit ihren Wünschen, Meinungen und Vorstellungen in der Pfarre Platz haben und sie dadurch verändern. Beteiligung setzt seitens der Pfarrmitglieder und -verantwortlichen also eine offene und mutige Haltung voraus. Ja, ich will Unterschiedlichkeit zulassen. Ja, mein Pfarrbild darf auch mal auf den Kopf gestellt werden. Ja, ich bin neugierig auf das, was andere einbringen.
Beteiligung als Leitprinzip in Kirche und Pfarre
Verkürzt lässt sich die Evolution einer Pfarrgemeinde in drei Phasen darstellen: In der Versorgungspfarre (= Pfarrer-Pfarre) ist die Betreuung der pastorale Kernbegriff. Die zweite Stufe ist die Engagement-Pfarre, in der Gemeinschaft v. a. dann erlebbar wird, wenn man sich in das bestehende System einbringt und mitmacht. Die dritte Phase wird mit dem Begriff Netzwerk-Pfarre umschrieben und als kirchliches Zukunftsmodell betrachtet. Von besonderer Bedeutung ist dabei eine innovative Form der Beteiligung, die auf eine im Grundsatz neuartige Freiheit in der kirchlichen Zugehörigkeit setzt. Menschen bringen in die Pfarre selbstbestimmt Zeit und Fähigkeiten ein und erwarten im Gegenzug dafür Mitsprache- und Mitentscheidungsmöglichkeiten.
Eine Kultur der Beteiligung als Leitprinzip einer Pfarre ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Engagement und Identifikation. Damit verbunden sind aber auch das Teilen von Verantwortung und das Abgeben von Macht. Genau durch dieses Spannungsfeld bleibt die Pfarre lebendig und vital.
Junge Menschen beteiligen
Wer junge Menschen in der Pfarre beteiligen will, muss das auch aktiv wollen und betreiben. Jugendbeteiligung passiert in den wenigsten Fällen von selbst oder zufällig. Die „Etablierten“, also die wirkmächtigere Seite der Erwachsenen, ist gefordert, für jugendgerechte Rahmenbedingungen für die Beteiligung zu sorgen. Die Tatsache, dass die Zeit des Jung-Seins eine Zeit der laufenden Veränderungen, Übergänge und Kurzfristigkeit ist, sollte in pfarrlichen Beteiligungsmodellen Berücksichtigung finden. Eine Vielzahl an Anregungen finden sich auf diesem Arbeitsplakat.
Beteiligung kann in unterschiedlicher Intensität und Qualität erfolgen – eine gute Strukturierung bietet die „Beteiligungsleiter“.
- Fremdbestimmung Jugendliche nehmen auf Anweisungen von Erwachsenen an einer Demonstration teil, bei der sie dann Schilder halten, aber die Hintergründe nicht kennen.
- Dekoration Jugendliche werden bei Veranstaltungsfotos „dazugestellt“, um zu zeigen, dass man jugendfreundlich ist.
- Alibi-Teilhabe Jugendliche sind in einem Gremium zwar vertreten, werden von den Erwachsenen aber nicht ernst genommen.
Diese drei ersten Stufen sind noch keine Form von Partizipation!
- Zugewiesen, aber informiert Jugendliche bekommen eine Aufgabe vorgegeben, sind aber über die Hintergründe informiert und übernehmen auch Verantwortung.
- Mitwirkung, informiert sein Jugendliche werden um ihre Meinung gebeten und diese wird auch ernst genommen.
- Mitbestimmung Von Erwachsenen initiiert, Entscheidungen werden gemeinsam mit Jugendlichen gefällt. Jugendliche werden z.B.: bei einem Pfarrfest in die Planung miteinbezogen.
- Selbstbestimmung Von Jugendlichen initiiert, Entscheidungen werden gemeinsam mit Erwachsenen gefällt. Jugendliche geben z.B.: den Anstoß für ein Projekt in der Gemeinde und planen dieses gemeinsam mit den Erwachsenen.
- Selbstverwaltung Etwas wird von Jugendlichen initiiert und durchgeführt, z.B.: Jugendliche organisieren selbstständig eine Filmnacht.
Warum auch junge Menschen beteiligen?
Was „bringt“ es einer Pfarre, Wert auf eine Beteiligung junger Menschen zu legen:
- schafft Identifikation und stärkt die Verantwortung bei Jugendlichen.
- Angebote und Projekte entsprechen mehr ihren Bedürfnissen und Interessen.
- „kollektive Intelligenz“ der Pfarrgemeinde vergrößert sich, wenn möglichst unterschiedliche Gruppen beteiligt werden. Dadurch werden Entscheidungen besser und neue Möglichkeiten eröffnen sich.
- und pädagogischer Auftrag: Jugendliche lernen ihre Fähigkeiten kennen und einsetzen.
- bringen oftmals neue Perspektiven, innovative Ideen, andere Herangehensweisen und einen frischen Wind in das Pfarrleben.
Text von
Katholische Jugend Österreich
Beteiligungsplakat zur PGR-Wahl 2022